Die zwei Gesichter

 

Die zwei Gesichter

So dicht oder bewusst hat mich noch kein Lebewesen an sein Sterben herangelassen.
Grassy ist nierenkrank! Dazu das Alter und sonstige Gebrechen lassen das Ende absehbar werden. Das ist nicht leicht!
Mir scheint, als hätte der Kleine sich bis zum 15. Geburtstag und bis zum Erscheinen SEINES Buches zusammengerissen, und nun sagt er sich: Ich mache nur mal kurz dieses Leben zu Ende und dann sehe ich weiter … (Diese Art zu denken traue ich ihm zu.) Aber die Tierärztin und ich haben etwas dagegen.
Gestern beim Abendspaziergang ging er sehr langsam, fast schleppend, neben mir. Plötzlich richtete er die Fahne am Hintern auf, schwenkte sie wie ein siegessicherer Fußballfan. Dabei straffte sich der Körper und sein Köpfchen erhob sich angeberisch-stolz, die Ohren schienen rechtwinklig abgespreizt. Seine Körperhaltung und der tänzelnde Laufstil ließen mein Kichern nicht in mir. Ein fremder Beobachter hätte durchaus zu einer psychiatrischen Diagnose kommen können.
Aber ich dachte: Jetzt begreife ich erst richtig den Sinn der Worte „Genieße jeden Augenblick!“.

Axel Bethke, Autor
„Altsein ist auch nur ein Teil vom Ganzen“, gerade erschienen, www. mariposa-verlag.de
Foto: Jürgen Engelmann