Eine zufällige Begegnung
Zwei gescheiterte Existenzen treffen sich

Eine bekannte Redewendung lautet: Viele Wege führen nach Rom. Als Abwandlung könnte man auch sagen: …oder zum Hund.

Für ein Kind ist es fast immer der Wunsch, unbedingt einen Hund zu wollen, der es ans Ziel führt. So die Eltern (und die Gegebenheiten) denn mitspielen.
Bei Erwachsenen hingegen sieht es oft anders aus. Zufall, Schicksal, Fügung – wer kann das schon so genau sagen?

 

Zwei gescheiterte Existenzen
treffen sich …

… im Treppenhaus des zweiten Stocks eines Hauses in der
Schnellstraße in Hamburg-Altona. Du warst knapp zwölf Wochen alt, aber konntest schon sehr laut wimmern und jammern.
Niemand in diesem Haus wollte dich aufnehmen. In jeder Wohnung eine Katze …

Und ich? Wollte eigentlich keinen Hund mehr. Zwei Stunden
später kam ich vom fünften Stock die Treppe hinunter und du
kamst mir im dritten Stock freundlich wedelnd und winselnd
entgegen. Ich hockte mich zu dir hin, streichelte dich, sprach
leise mit dir und spürte deine Zunge in meinem Gesicht. Deine
braunen Augen, so leuchtend und lebendig, aber auch so
traurig. Ich konnte dir nicht widerstehen. Mit einem gespendeten roten Bindfaden als Hundeleine zogen wir beide los zum S-Bahnhof Holstenstraße. Zwei gescheiterte Existenzen.

Deine Menschen hatten dich offenbar zu Beginn der Frühjahrsferien im März 1977 rausgeschmissen, wohl, weil du nicht mit den kleinen Kindern zurechtkamst oder sie nicht mit dir.

Und ich? War gerade drei Wochen vorher, am 10. Februar
1977, aus dem Schuldienst geflogen und hatte jetzt viel Zeit.
Auf dem Weg in eine gemeinsame Zukunft? Beim Umsteigen
im Hauptbahnhof Anruf bei Angelika, um deine Ankunft anzukündigen.
„Hast du was dagegen?“
„Nein, bring ihn mit, den kleinen Hund.“

Einen Tag lang solltest du nur bleiben, dann ab ins Tierheim
in die Süderstraße. So redete ich es mir ein. Doch es kam anders.
Weissenhof lla in Hamburg-Farmsen – das sollte deine zweite
Heimat werden, kleiner Blacky. Als wir ankamen, hattest du
riesigen Durst und Hunger. Zwei große Schüsseln Wasser wurden von dir ausgeschlabbert. Und dann verdrücktest du ein Leberwurstbrot nach dem anderen! Anschließend hautest du dich in eine Ecke, rolltest dich zusammen und schliefst bis zum Morgen durch. Vom Tierheim Süderstraße redete niemand mehr, eine neue Leine wurde gekauft – und Spielzeug. Zunächst noch zögernd und etwas unsicher konnte auch Angelika deinem
Charme nicht widerstehen.

© Volker Diel

erschienen im Mariposa-Verlag (Bücher für tierliebe Menschen)