Die Probleme mit der Ableinbarkeit
“ In seiner Heimat wird er nicht verwöhnt, sondern muss sich seit jeher selbst um sein Überleben kümmern, was eine ordentliche Portion an Selbstständigkeit und Eigenwilligkeit notwendig macht. Dazu kommen seine Rennleidenschaft sowie sein Jagdeifer.“
„Der Siberian Husky hat meist einen sehr ausgeprägten Jagdtrieb.“
(entnommen aus „Husky“ von Katharina Schlegl-Kofler, Tierratgeber, erschienen im Gräfe-Unzer Verlag).
Derlei Zitate lasen wir zu Beginn unserer Huskykarriere reichlich. Die Leine ist/war für uns noch nie ein Problem. Immerhin haben wir es – allgemein gesehen – „gut“, wir leben in Hessen. Manchem z.B. NRWler geht es sicher schlechter, was das Thema „Leine“ angeht.
Probleme gibt es meist mit anderen Hundebesitzern. Sätze wie
“ Mein Hund verträgt sich nur ohne Leine“,
„Jeder Hund kann jagdgehorsam gemacht werden“,
„Ich dachte ihrer ist unverträglich, weil er an der Leine ist“ etc. etc. etc.
– quillen einem als jahrelangem Nordischen-Besitzer aus den Ohren.
Als Tierschützer nehmen wir es meist gelassen und versuchen im Sinne der Vereinsarbeit jedes Mal wieder, die Leute über Nordische Hunde aufzuklären. Wer weiß, vielleicht ergibt sich ja so einmal eine Chance für einen unserer Pflegehunde.
Aber wenn ich mal ganz ehrlich bin, es gibt auch Tage, da nervt es mich schon, wenn es wieder mal heißt “ jeder Hund kann ohne…“
Momentan benötige ich in dieser Richtung wegen unserer Pflegehündin Nerven wie Drahtseile. Husky-Podenco-Mix, 1,5 Jahre quirlig und süße 45cm hoch.
Es muss wohl an der „Größe“ liegen, dass man Perla vieles nicht zutraut :-)))
Vögel habe ich keine mehr im Garten, an den Mäusen gräbt sie noch, das Igelhaus hat sie erfolgreich zerlegt – der Igel hatte sich in Nachbarsgarten gerettet, und letztes Wochenende hat sie erfolgreich die ersten Hummeln verspeist. Seit heute bewirbt sich Perla wohl für eine neue Hundesportart
……. Schmetterlingsagility ( nur gut, daß mich nicht soviele Leute sehen, wenn sie mich im Feld 5mal per Leine umrundet hat).
Eine junge Frau mit einer Bordercollie-mixhündin aus unserer Nachbarschaft hatte sich letztens in Perla verliebt – wäre eine prima Chance gewesen…. Wäre da nicht das Thema Ableinbarkeit gewesen. Viele Gedanken hatte sich diese Frau gemacht, wie es „klappen“ könnte….bis hin zu „beide Hunde aneinander zu koppeln, da ihr Ersthund ja hört“. Auf den Gedanken, den Hund in diesem Punkt zu akzeptieren, wie er ist, kam sie bisher nicht.
So habe ich leider diese Pflegehündin immer noch……und hatte kurzfristig auch mal ein schlechtes Gewissen, ob ich es vielleicht zu eng sehe.
Unterstützung erhielt ich von „oben“, sprichwörtlich aus heiterem Himmel, hier in Form eines Kaninchens.
Wie immer ging ich meine Hunderunde mit zwei Hunden an der Bauchleine (Perla und Gringo, unser Husky). Unseren blinden Husky Kinok hatte ich an der Flex.
Am Ende der Runde müssen wir durch einen kleinen Park, dann über eine Hauptstraße, bevor wir wieder in unserer Siedlung sind.
Kurz vor der Hauptstraße passierte es. Ich hatte das Kaninchen, welches in den Büschen gesessen haben musste, nicht gesehen……. wohl aber dieses uns. Der Anblick von drei herannahenden Hunden veranlasste es jedenfalls, blitzschnell von links nach rechts quer über den Weg zu sausen……mindestens genauso schnell war der Jagdtrieb bei Gringo und Perla geweckt und man wollte trotz Bauchleine die Verfolgung aufnehmen. Mir war es weder möglich bis drei zu zählen, noch die Hunde beim Namen zu nennen……es ruckte …..das Zwischenstück riss und ich musste zusehen, wie zwei Hunde mit Leine hintendran sich des Kaninchens annahmen.
Da stand ich immerhin noch mit dem Bauchgurt, nur ohne Hunde.
Schnell band ich Kinok mit seiner Flex an der nächsten Parkbank fest und bog wie die Ausreißer um die nächste Ecke……empfangen wurde ich dort von absoluter Stille……weder Hund noch Kaninchen weit und breit….nur ein älterer Herr, der im Vorgarten Unkraut jätete. Im ersten Moment ärgerte ich mich sehr über diesen Herrn, der meine Frage “ in welche Richtung sind die Hunde“ nur mit einem absolut nichtssagenden Blick beantwortete. (Stunden später – nach Abbau des überschüssigen Adrenalins in meinem Blut – kam ich jedoch zu der Erkenntnis, dass dieser Mann von den vorbeisausenden Hunden wohl „auf die Schnelle“ nix mitgekriegt hatte….somit fiel ihm offensichtlich die Beantwortung meiner Frage sehr schwer).
Ratlos stand ich da……mir war mehr als flau zumute…..
Auf einmal kam mir Perla von vorne entgegen geflitzt. Zuerst freute ich mich, dass sie zu mir zurückkommt. Als ich jedoch feststellte, dass sie nur die Absicht hatte an mir vorbei zu sausen, um die „Absprache“ mit Gringo einzuhalten: Lass es uns in die Zange nehmen… :-)), ließ ich mich kurzentschlossen auf sie plumpsen. PRIMA – einen Hund hatte ich also wieder!
Nun kam Gringo urplötzlich von einer anderen Seite – er hatte die Abkürzung über Zäune (und durch Gärten ) genommen, die Perla wegen ihrer niedlichen Größe nicht möglich waren. Ein beherzter Tritt auf die Leine und ich hatte auch Hund Nr. 2 wieder. Schweißgebadet sammelten wir nun den brav wartenden Kinok an der Parkbank ein……. ich war heilfroh meinen Heimweg mit drei wohlbehaltenden Hunden antreten zu können.
Ein schlechtes Gewissen gegenüber meiner Pflegehündin, wenn ich heute Interessenten ehrlich antworte „nicht ableinbar“ habe ich seit diesem Vorfall nicht mehr.
Der Gedanke, dass sie lieber ein bisschen länger auf „ihren“ Menschen warten muss, ist mir wesentlich sympathischer, als irgendwann die Rückmeldung zu bekommen “ unterm Auto gelandet“ oder ähnliches.
Es mag ja – ich will es gar nicht bestreiten – 100mal gut gehen, aber was ist beim 101. Mal???
Mein Hund ist auf meine Fürsorge und mein Verantwortungsbewußtsein angewiesen. Ich persönlich könnte es nicht ertragen, wenn mein Hund wegen meiner Leichtsinnigkeit zu Schaden käme….
© Andrea Feder