Die Wölfe sind zurück
Schweizer Schafzüchter vertrauen auf Herdenschutzhunde
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Die Wölfe sind zurück – auch in der Schweiz. Und wie überall teilt ihre Rückkehr auch hier die Menschen in zwei Lager. Das gilt vor allem für die Schafzüchter. Während die einen am liebsten alle Wölfe sofort abschießen würden, bevorzugen deren Befürworter eine andere Lösung.
Sie setzen – wie schon jahrhundertelang in Italien und Frankreich praktiziert – Hunde zum Schutz ihrer Herden ein. Über 200 Vertreter der Rassen „Cane da Pastore Maremmano-Abruzzese“ aus Italien und „Chien de Montagne des Pyrenées“ aus Frankreich versehen ihren Dienst auf den Schweizer Almen; zumeist bei Schaf- und Ziegenherden, vereinzelt aber auch bei Rinderherden.
Wie arbeiten Herdenschutzhunde?
Im Gegensatz zu einem Hütehund, der auf’s Wort bzw. auf entsprechenden Pfiff die Herde treiben soll, werden Herdenschutzhunde nicht explizit ausgebildet. Sie entscheiden selbständig, was zum Schutz der ihnen anvertrauten Herde notwendig ist und besitzen ein ausgeprägtes Schutz- und Territorialverhalten. Auch wenn sie manchmal wie verschlafene, große Teddybären wirken – man sollte sich davon niemals täuschen lassen. Sie haben ihre Umgebung immer im Blick und sind im Fall des Falles blitzschnell zur Stelle. Dabei greifen sie den vermeintlichen Feind nicht direkt an sondern versuchen, zwischen ihm und der Herde stehend, ihn durch drohendes Bellen zurückzudrängen. Erst wenn das keine Wirkung zeigt werden sie aggressiv. Flüchtende Gegner werden nicht über lange Strecken verfolgt. Die Hunde kehren schnell zu ihrer Herde zurück, um sie vor eventuellen weiteren Feinden zu schützen.
Ueli Pfister ist Verhaltensbiologe und Züchter dieser Tiere. Seine Hunde werden im Stall geboren und wachsen mit den Schafen auf. Im Alter von 12 Tagen beginnen sich Sehfähigkeit und Gehör der Welpen zu entwickeln. Der Hund baut eine Beziehung zu den Schafen auf. Von der dritten bis zur vierzehnten Woche festigt sich dieser Kontakt. Und genau während dieser Zeit braucht der Hund auch Kontakt zum Menschen.
Pfisters Hunde sehen ihn zwar jeden Tag, dürfen aber nicht in seine Wohnung. So lernen sie von Anfang an, dass sie zu den Schafen gehören. Doch sie sind auch an Menschen gewöhnt. Und wissen, wenn sie später ihre Aufgabe bei der Herde erfüllen, dass ein Mensch keine Bedrohung darstellt. Nur so werden sie ihn in der Nähe der zu beschützenden Tiere tolerieren.
Nach draußen zur Herde genommen werden die Welpen mit etwa drei Monaten. Aber erst mit ca. zwei Jahren beginnen sie, die Herde selbständig zu verteidigen. Sie schätzen dann instinktiv Gefahren ein und können zwischen Wanderern und deren Hunden, streunenden Hunden und Raubtieren differenzieren. Wenn man will, kann man die Zeit bis dahin als „Ausbildung“ der Tiere bezeichnen.
Herdenschutzhunde und Wanderer
Die Schweizer Alpen sind ein Gebiet, das gern für Wanderungen genutzt wird. Durch die Rückkehr der Wölfe und vereinzelter Bären und der deshalb eingesetzten Schutzhunde müssen hier die Wanderer nun umdenken. Sie können sich nicht mehr bedenkenlos überall frei bewegen. Denn die Hunde verteidigen das Territorium ihrer Herde konsequent. Bei entsprechendem Verhalten der Menschen stellen sie für diese zwar kaum eine Gefahr dar, aber auf einige wirken sie doch recht bedrohlich. Und auch für die „Mutigen“ gibt es ein paar Grundregeln, die sie als Wanderer oder Biker unbedingt einhalten sollten. Oft sind am Anfang des Weidegebietes Verhaltenstafeln aufgestellt, die es zu beachten gilt. Trifft man jedoch unvorbereitet auf eine bewachte Herde, sollte man sie großräumig umgehen und, falls das nicht möglich ist, lieber umkehren. Erst recht, wenn man seinen eigenen Hund dabei hat. Wenn die Tiere weit verstreut weiden, kann man versuchen, die Herde zu durchqueren. Dieses sollte jedoch langsam geschehen und als Biker muss man sein Rad auf jeden Fall schieben.
Nachfolgend ein Video zu dem Thema:
Die Standorte der Herdenschutzhunde finden Sie auf dieser Karte.
Die Kantone unterstützen den Einsatz von Schutzhunden
Bisher war es so, dass den Viehzüchtern jedes von einem Raubtier gerissene Tier ersetzt wurde. Künftig soll dies nur geschehen, wenn ein anerkannter Herdenschutzhund die Herde bewacht hat.
Der Verhaltensforscher Jean-Marc Landry hat einen Test entwickelt, mit dem überprüft werden kann, ob ein Hund den Menschen gegenüber tolerant genug ist. Damit Wanderer sich sicher fühlen können.
Durch den Test kann ebenso geklärt werden, wie sich ein Schutzhund gegenüber anderen Hunden verhält. Es soll so die Möglichkeit geschaffen werden, den bevorzugten Einsatzort eines Herdenschutzhundes festzulegen. Gibt es auf der Alm viele Wanderer mit Hunden oder handelt es sich eher um ein abgelegenes Gebiet mit wenigen Menschen?
Die genauen Testkriterien bestimmen allerdings die Kantone.
Die eingangs erwähnte Aufzucht der Welpen bei den Schafen – aber nah beim Menschen – soll Vorschrift werden. Denn nur so lernen die Hunde, wie sie ihre Aufgaben in der Herde zu erfüllen haben.
Zur Zeit werden die Richtlinien für den Herdenschutz überarbeitet und sollen im Verlauf dieses Jahres in definitiver Form in Kraft treten.